„Tayyip istifa!“ – „Tayyip tritt zurück!“. Parolen
wie diese hört man auf den Straßen Istanbuls und anderen türkischen Städten nur
noch selten. Denn vor allem herrscht bei den momentan Protesten gegen die
eigene Regierung und Regierungschef Recep Tayyip Erdogan eines: Stille.
Auf dem Taksim-Platz herrscht mittlerweile Stille Foto: VikiPicture |
Mit den Händen in der Hosentasche und den Blick auf
ein Porträt von Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk gerichtet, startete
Choreograph Erdem Gündüz am letzten Montag die schweigende Protestbewegung.
Innerhalb weniger Stunden verbreitete sich so eine neue Form des Aufstandes und
Gündüz selbst, der „stehende Mann“ – türkisch „duran adam“, gilt als neue Ikone
des Protests. Schon während seines fünf Stunden andauernden Schweigens stellten
sich Dutzende neben ihn, um ihn zu unterstützen. Und scheinbar zeigt diese
Protestform Wirkung: Nach wochenlangem harten Einsatz hält sich die Polizei nun
zurück. Trotzdem gibt es weiterhin Festnahmen und Demonstranten werden
durchsucht. Die Regierung erklärte außerdem, dass jeder, der jetzt noch
demonstriert, als Terrorist bezeichnet wird. Aufgeben wollen die Protestanten
aber trotz drohender Maßnahmen gegen sie nicht: Auf öffentlichen Plätzen
treffen sie sich, um über ihr weiteres Vorgehen zu diskutieren. Sie planen Verabredungen
zum stillen Protest. Letzten Dienstag um 20 Uhr stand so die türkische Nation
zum ersten Mal fünf Minuten still. Die 26-jährige Demonstrantin Eylem Özkan
sagte in einem Deutsche Welle-Gespräch: „Jetzt haben wir uns für die Stille
entschlossen. Manchmal ist Stille die beste Reaktion.“
Dem heute hauptsächlich stillen Protest gehen
Demonstrationen seit dem 28. Mai 2013 voraus, die von der türkischen Polizei
gewaltsam niedergeschlagen wurden. Die anfänglich gegen Ministerpräsident
Erdogan und seine islamisch-konservative Partei gerichteten Proteste weiteten
sich schnell auch gegen die Gewaltbereitschaft der Polizei aus, die mit
Tränengas und Wasserwerfern gegen die Menschen vorging. Seit Beginn der Unruhen
gibt es über 8000 Verletzte, 3300 Festnahmen und fünf Tote. UN-Generalsekretär
Ban Ki Moon forderte die türkische Regierung auf, mit den Demonstranten in
Dialog zu treten und auch Bundeskanzlerin Merkel plädiert für Gespräche
zwischen den Parteien. (jb)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen