Fledermäuse verhindern
möglicherweise den Bau eines großen Möbelhauses auf dem Kieler
Kleingartengelände Prüner Schlag/Brunsrade
Seit 2009 plant die
Einrichtungshauskette Möbel Kraft den Neubau eines Möbelhauses auf dem ehemaligen
Gelände des Kleingärtnervereins Prüner Schlag/Brunsrade. Trotz anhaltender
Proteste von über 300 Kleingärtnern, verschiedenen Bürgerinitiativen und
Privatleuten wurde das Gelände von der Stadt Kiel an den Wohneinrichter
verkauft. Nun scheint der Neubau doch noch auf unerwartete, vielleicht sogar
unüberwindliche Hindernisse in Form
kleiner Fledermäuse zu stoßen.
Dass auf dem Gebiet
Fledermäuse beheimatet sind, ist schon lange bekannt. Um welche Arten es sich
genau handelt, ist bis jetzt allerdings nicht weiter untersucht worden. Im
Herbst 2012 wurden schließlich im Zusammenhang mit dem für 2014 geplanten Bau
eines Möbelhauses auf dem 18 ha umfassenden Kleingartengelände erste Untersuchungen der zuständigen Ämter hinsichtlich der Situation der dort ansässigen
Fledermäuse angestellt. Die Überraschung für die
Wissenschaft: acht Fledermausarten wurden gesichtet, darunter auch die
Zweifarbfledermaus (vespertilio murinus), die sich auf der roten Liste der gefährdeten
Säugetiere Schleswig-Holsteins befindet
und vom Aussterben bedroht ist. Es handelt sich um den ersten Nachweis
dieser Art in Kiel seit 107 Jahren, sowie einer der ganz wenigen überhaupt in
Schleswig-Holstein. Desweiteren lassen sich
die Arten Braunes Langohr, Rauhautfledermaus, Großer Abendsegler und die
Breitflügelfledermaus feststellen, die gefährdet oder stark gefährdet sind und ebenfalls
allesamt auf der Roten Liste stehen. Bei der Zwergfledermaus und der Mückenfledermaus
sind die wenigen Daten nicht aussagekräftig genug, um den Arten ein Gefährdungspotential zuzuordnen.
Lediglich die Wasserfledermaus gilt als nicht gefährdet.
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Die Zweifarbfledermaus (Foto: Wikipedia) |
Neben diesen acht Arten
werden drei weitere Arten vermutet. Die Große Bartfledermaus, die
Teichfledermaus, sowie die Fransenfledermaus gelten ebenfalls als stark
gefährdet. Diesen Sommer stehen nun zwei weitere Untersuchungen an, um genau zu klären, welchen Umfang die
Populationen der einzelnen Fledermausarten auf dem Gelände haben und ob die
drei vermuteten Arten ebenfalls dort anzutreffen sind.
Die kleinen Tierchen
könnten zur Stolperfalle für Kiels Bürgermeister Peter Todeskino (Grüne)
werden. Die Stadt Kiel sieht immense finanzielle Vorteile für die Stadt und
erwartet neben den Erlösen für den Grundstücksverkauf auch hohe Steuereinnahmen.
Denkbar ist jedoch, dass ein Möbelhaus in solch zentraler Lage zu einem
Frequentierungsrückgang der Einzelhandelsgeschäfte in der Kieler Innenstadt
führt.
Ein alternativer Standort
„auf der grünen Wiese“, also in den Randgebieten Kiels, würde sämtliche Umwelt-
und Wirtschaftsprobleme auf einen Schlag lösen, wird aber von Möbel Kraft
vehement abgelehnt. Im Vordergrund steht hier sicherlich die beabsichtigte
direkte Konkurrenz zum zukünftigen Nachbarn Ikea.
Todeskino befürwortet eine
Umsiedlung der Fledermäuse auf benachbarte Gebiete. Dieses steht jedoch im
Widerspruch zu dem Grundsatzbeschluss, so viele Kleingärten wie möglich zu
erhalten, da diese benachbarten Flächen ebenfalls die umgesiedelten
Kleingärtner beheimaten sollen. Allerdings scheint der Ansturm der Kleingärtner
auf die neuen Flächen laut Auskunft der Stadt Kiel auszubleiben. Daher besteht
der Plan, das an das Baugebiet angrenzende Areal der Großen Grünen
Schützengilde mitsamt einer 20 Meter breiten Schutzzone als Tabuzone einzurichten.
Die Kieler Grünen Martina Baum und Fraktionsvize Dirk Scheelje sehen
Erfolgschancen für das umstrittene Ansiedlungsprojekt nur dann, wenn das
Naturschutzrecht vollständig beachtet wird: „Dies wird nur möglich sein, wenn
die nicht von Möbel Kraft benötigten Grünflächen im vollen Umfang erhalten und
ökologisch aufgewertet werden, so dass den Fledermäusen rechtzeitig vor
Baubeginn ein alternativer Lebensraum angeboten werden kann.“ Ob ein 20 Meter
breiter Tabubereich jedoch dafür ausreicht, scheint unklar. Ebenfalls unbeantwortet
bleibt die Frage, ob mit den Gartenhütten auch die Wohn- und Brutstätten, sowie
Jagd- und Balzreviere der Fledermäuse und der anderen Säugetiere verschwinden. Auch wie die Tiere auf den erhöhten Lärmpegel
und das zwangsläufig zunehmende Verkehrsaufkommen in einem stark verkleinerten
Lebensraum reagieren, wird sich erst nach Baufertigstellung beurteilen lassen.
Blick in den Prüner Schlag Foto: ts |
Die momentane Situation im
Prüner Schlag:
Mittlerweile sind die
meisten Gärten in der ältesten Kleingartensiedlung Deutschlands von ihren
Pächtern verlassen worden. Vandalismus und Graffiti statt Kinderlachen und
Sommerblumen. Dennoch halten einige, die die Abfindung von Möbel Kraft nicht akzeptiert
haben, die Stellung und wollen sich dem Diktat des Verweises nicht beugen.
Etliche Bürger Kiels
scheinen in Anbetracht der Bürgerinitiativen und Protestaktionen jedoch bereits
ihre Entscheidung bezüglich des Neubaus getroffen zu haben. An fast jeder Ecke
Kiels lassen sich abgestellte oder aufgehängte Blumen in Kästen oder Töpfen
finden, die sich laut angebrachtem Aufkleber als städtisch ausgewiesene
Ausgleichsfläche für die Bebauung des Prüner Schlages präsentieren. Ebenso
prangen an unzähligen Laternenpfählen und Bushaltestellen Sticker, die sich
deutlich gegen den Neubau aussprechen und auf Facebook überschlagen sich die
Kritiken an dem Vorhaben. Selten war so viel Engagement der Bürger Kiels gegen ein Bauvorhaben
wahrzunehmen.
Nun bleibt abzuwarten, ob
Kiel ein weiteres Möbelhaus auf einer der letzten zentralen
Grünerholungsflächen vertragen kann. Mit dem Risiko, einerseits einen massiven Beitrag zum
Aussterben der wenigen verbliebenen Fledermäuse in Schleswig-Holstein zu leisten und andererseits den wirtschaftlichen Verfall der Innenstadt weiter voran zu treiben. (ts)
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