Eine Reportage zum Besuch des Gaardener Straßenmusikfestes "InTakt"
Vom
Hundebellen begleitet, betrete ich um kurz nach elf Uhr morgens den
Vinetaplatz. Die Sonne kommt kaum durch die Wolken. Ein leichter, frischer Wind
weht. Am Brunnen sitzen die Hundebesitzer mit ihrem Bier. Vereinzelte Menschen
laufen über den Platz. Es könnte ein ganz gewöhnlicher Sonntagvormittag sein in
Gaarden. Aber dieser Sonntag unterscheidet
sich von anderen,
denn in ca. zwei Stunden wird das Straßenmusikfestival „InTakt“ beginnen. Auf
vier Standorte, auf dem Vinetaplatz und
der Elisabethstraße verteilt, treten den Tag über verschiedene Bands, Kleinkünstler
und andere Hobbymusiker auf. Von der Big Band bis zum (Deutsch) Rock,
Songpoesie, Singer/Songwriter, Folk, Indie, Pop, Instrumentalmusik, Weltmusik,
60er Jahre Beatmusik, französische Chansons und Percussion. Für jeden Geschmack
ist etwas dabei. Ein Informationsheftchen gibt es an dem Organisationszelt
sowie auch hilfsbereite und freundliche Mitarbeiter, die geduldig sämtliche
Fragen beantworten und die ersten Künstler empfangen.
Neben der
Dönerbude „Antep Grill“ wird bereits das Kinder-Bastel-Zelt aufgebaut, wo die
Kleinen später kreativ werden und sich selbst ihre Instrumente basteln können.
Das Zelt stellt die Deutsche Angestellten Akademie (DAA) zusammen mit der
Gesellschaft zur Förderung der beruflichen und sozialen Integration mbH (INT),
die in Kooperation mit dem Sozialen Stadt Büro arbeiten. An den festgelegten
Standorten ́Deutsche Bank, Apotheke, „Eisliebe“, Sky/Karlstal ́ werden
ebenfalls Zelte als provisorische Bühne errichtet. Während die ersten Musiker
eintreffen und noch zahlreiche Vorbereitungen
getroffen werden, wie das Aufbauen der Bühne auf dem Vinetaplatz, tanzen bunte
Holzinstrumente ruhig im Wind.
Entlang der
Elisabethstraße sind Abbildungen von Flöten, Geigen, Gitarren, Klarinetten, Ukulelen
und anderen Instrumenten auf Holz aufgemalt und auf einer Schnur quer über die
Straße gefädelt worden. Weitere Deko – Instrumente im Großformat sind auf dem
Vinetaplatz selbst zu entdecken, so lehnt entspannt ein Cello am Baum. Corinna
Rauno, pädagogische Mitarbeiterin und Leiterin der Kreativwerkstatt – einem
sozialen Projekt, erzählt, dass die Kinder und Jugendlichen die Aufsteller,
„die tanzenden Instrumente“ sowie das Banner zum Straßenmusikfestival zuvor
dort gebastelt und bearbeitet haben, die nun heute zu sehen sind. Vor der Raben Apotheke wird die Hauptbühne, zu
der Eröffnung des Festivals und zum Abschluss, aufgebaut. Die Mitarbeiter des
Organisationsteams öffnen den LKW, der von dem Abfall Management Nord GmbH
gestellt wird, an der Längsseite zum Platz hin und bereiten ihn für den ersten
Musikact, die Kieler Band „Fankama“, vor.
Die
achtköpfige Gruppe stellt sich aber lieber davor und trommelt im afrikanischen
Stil mitreißende Rhythmen. Einige Kinder kommen von dem Bastelzelt dazu,
stellen sich vor die Gruppe und fangen schließlich selbst an zu klopfen, zu
trommeln und begeistert auf Eimern, Schubkarren und Gießkannen mitzumachen. Als
einer aus der Percussion - Gruppe neben dem berauschenden Trommeln in der Sprache der Malinké, einem Stamm aus Guinea/Westafrika, zu singen
beginnt, bekomme ich Gänsehaut.
Mittlerweile
ist es halb zwei und der allgemeine Trubel geht los. Da vier Bands immer gleichzeitig
spielen, muss man sich entscheiden.
Die Gruppe 'Fankama' trommelt exotische Rhythmen und die jüngsten Besucher machen mit Foto: lz |
Nun, da ich
schon neben der „Eisliebe“ stehe, kann ich auch die leckere, kalte Erfrischung
genießen und komme dabei mit der freundlichen Verkäuferin ins Gespräch. Sie
erzählt mit einem ansteckenden Lächeln von ihren positiven Erfahrungen mit dem
Straßenmusikfestival und deren Musikern. Wenn sie selbst währenddessen nicht so
viel arbeiten müsste, würde sie sich auch gern ein paar Bands anschauen:„...natürlich
wäre ich gerne dabei!“ Doch das lasse sich tagsüber nicht einrichten, wenn man
alleine in einer kleinen Eisdiele stehe und viele eishungrige Besucher zu
versorgen habe. Dafür kann man abends gemeinsam den Abend verbringen wie sie von
dem letzten Jahr erzählt:„ wir saßen alle zusammen, haben gemeinsam den Abend
ausklingen lassen und das richtig genossen.“
Für die
hungrigen Besucher ohne Picknickkorb, gibt es neben dem Kinder-Bastel-Zelt einen
Verpflegungsbereich.
Für günstige Preise kann man den Hunger und Kaffeedurst stillen, um noch länger
den musikalischen Tag in Gaarden genießen zu können. Mitten auf dem Tisch steht
eine schlichte PET Flasche, an der ein handgeschriebener Zettel hängt „Spende
für Gaarden Kids.“ Ich spreche eine der Verkäuferinnen darauf an und sie sagt
mir, dass sie diese Spenden an das Soziale Stadt Büro Gaarden abgeben, die das
Geld wiederum investieren. Gute Sache! Denke ich mir, während ich von meinem
Brötchen abbeiße und werfe mein Wechselgeld hinein.
Vor sechs
Jahren kam die Anregung aus dem Stadtteil selbst. Die Gaardener Runde, bestehend
aus unterschiedlichen Institutionen, Vereinen, städtischen Einrichtungen, Politiker/innen,
Geschäftsleuten und Einzelpersonen, betonte, dass der Vinetaplatz genutzt
werden müsse. Der Platz könne durch Kulturveranstaltungen, vor allem durch
Musik belebt werden. Klaus Niendorf, selbst leidenschaftlicher Musiker und
Mitbegründer, leitet die Organisation und unterstützte die Idee.
'Tanzende Instrumente' über der Elisabethstraße Foto: lz |
Über die
Jahre hat sich das Straßenmusikfestival professionell weiterentwickelt. In den
ersten Jahren fand „InTakt“ an einem Samstag statt, was jedoch zu chaotischen
Umständen führte mit dem Wochenmarkt, der zuvor auf dem Vinetaplatz war. Vor
drei bis vier Jahren gab es viele Musiker, die spontan vorbei kamen und viel
Straßenmusik ohne feste Spielorte anboten, so dass es untereinander zu konkurrierenden
Auftritten mit enormer Lautstärke kam. Mit den Erfahrungen aus den Jahren davor
setzte das Organisationsteam vor zwei
Jahren feste Spielorte für die Musiker und Betreuer an den jeweiligen Standort
fest. Zudem nahmen sie war, dass die Besucher gern eine Programmübersicht
haben. Silke Sohlbach, die für die Öffentlichkeitsarbeit und die Verwaltung in
dem Soziale Stadt Büro Gaarden zuständig ist, kann selbst nach den letzten vier
Jahren aus Erfahrung sprechen. Sie finde es spannend, dass jedes Jahr anders
sei. „Von Punk bis Chansons, bis zu 2 Monate vorher wissen wir selbst nicht wer
kommt – eine wilde Mischung, wer spielt, wo wird gespielt.“ Zusammen im Team
mit dem Stadtteil Büro Ost mit dem Stadtgeograph David Vetter, der für das
Stadtteil Management für die oberen Stadtteile Ellerbek, Wellingdorf und
Neumühlen- Dietrichsdorf zuständig ist. Und mit Anja Neugebauer,
Stadtgeographin, zuständig für das Stadtteil Management in Gaarden sowie einem
wissenschaftlichen Mitarbeiter und anderen Mitarbeitern leiten sie die Organisation
der Veranstaltung. Die Soziale Stadt Gaarden bildet den Veranstalter. Bereits
zu Beginn des Jahres werden die Vorbereitungen für das kommende
Straßenmusikfestival getroffen. Anträge und Genehmigungen werden gestellt,
Strom wird organisiert, Banner und Flyer gedruckt, Kontakte geknüpft. Besonders
die Deko – Bastelaktion braucht viel Vorlauf bis es fertig ist. Sohlbach
betont, dass der Partner die DAA – heute mit Bastelstand dabei- bezüglich der
Kreativwerkstatt mit Bastelaktionen besonders wichtig sei in Gaarden. Viele
Familien kommen zur Veranstaltung. da brauche man auch passende Angebote für Kinder,
so werden Instrumente gebastelt mit unüblichen Materialien, die von einem
Baumarkt im Stadtteil gesponsert werden. Des Weiteren ist die DAA sehr wichtig
als Kooperationspartner, da sie die Organisation in der Logistik und den
zahlreichen Vorbereitungen unterstützt. Eine Herausforderung ist dabei, dass
die Spielorte nicht immer gleich bleiben, genauso wie die Anzahl der
auftretenden Musiker und Künstler. Das Team muss abwägen, wo es lauter oder
leiser wird, ob noch jemand zusätzlich einen Stand anbietet, wie dieses Jahr eine Verpflegung für Besucher. So dass sich der letzte Monat vor Beginn fast nur
noch um die Musiker selbst gekümmert werden muss. Das Ziel sei es bei dem
Straßenmusikfestival, bei dem keine Gagen oder richtige, große Bühnen verteilt
werden, wie Sohlbach anmerkt, dass durch die bescheidenen Umstände junge Bands
und Gruppen angesprochen werden, die
eben vor kurzem gegründet wurden oder noch nicht viele Auftritte hatten.
Nachdem die
exotische Band „Fankama“ ihren letzten Auftritt beendet hat, kann ich sie vor
der „Eisliebe“ abfangen. Beim vergnügten Eis essen, dass ihnen ein aufmerksamer
Gaardener ausgegeben hatte, setze ich mich zu den drei dankbaren Damen in die
Sonne. Sie sind schon von Anfang an beim Straßenmusikfestival aufgetreten und
finden, dass sich die Informationslage und Organisation gebessert habe. „Der
Rahmen ist sehr entspannt und das Tolle an der Straßenmusik ist, dass man viel
improvisieren und mit anderen Musikern auch mal eine Session machen kann.“ Wie
eine der Musikerinnen anmerkt. Sie sind
davon begeistert, wenn die Zuschauer mitmachen und haben auch in den letzten
Jahren gute Erfahrungen mit Gaarden und deren Einwohnern gemacht. Das größte Kompliment
bekam die Gruppe als ein Afrikaner zu ihnen meinte, wenn er die Augen schließe,
fühle er sich wie daheim.
Generell sei
eine Veranstaltung wie diese gut für Gaarden, betont eine gebürtige Kielerin
aus der Gruppe, vor allem bezüglich der multikulturellen Interaktion. „Die
schlimmsten sind eh die deutschen Assis“, fügt sie hinzu. Tatsächlich fällt die
„Gaardener Szene“ durchweg auf, sie tanzen mit ihren Bierflaschen, schreien
dazwischen, drängeln sich auch mal ans Mikrofon wie ein späterer Auftritt am
Sky/ Karlstal zeigt und zerren ihre Hunde mitten in das laute Geschehen. Da
fühlten sich manche Besucher gestört. Andererseits kenne man es nicht anders
von den Leuten und man könne auch nichts dagegen unternehmen, dass sie Alkohol trinken,
wie ein Mitarbeiter des Organisationsteams anmerkt.
Beim
gemütlichen Zusammensitzen und Reden mit einem Teil der „Fankama“ - Gruppe,
kann ich eindeutig die Hip Hop Gruppe „LPP/G.S.O.X.“ hören, die bei der
Apotheke auftreten. Durch ihren sehr lauten und präsenten Auftritt sind sie
auch ein großer Anziehungspunkt, gerade für viele Jugendliche. Die
anschließende, leicht beschwingte Musik von der Singer/Songwriter - Künstlerin
Filiz Birkandan ist dazu ein klarer Kontrast. Es ist ein deutlich ruhigerer
Auftritt mit einem kleineren zuhörenden Kreis an Zuschauern. Auch die folgende
Männerband „Laut ist leichter“ mit Akustik/Folk/Pop dazu Saxophon, Gitarren und
einem Sänger sowie deutschen Texten, ebenso wie der letzte Auftritt an der
Apotheke von „Tom Jungblut“, bilden einen harmonischen Abschluss. Die Gruppe
stellt Songpoesie vor – der Mann singt mit markanter Stimme und Gitarre, seine
weibliche Begleitung mit zarter, hoher Stimme.
Eine bunte Menschenmenge lauscht dem 'Frühstücksbeat' an der Apotheke Foto: lz |
Der Standort
Sky/ Karlstal ist als sehr laute Rock-Bühne charakteristisch: „The lost Members“
fangen an. Anschließend spielt „Guy macht Flyer“ und zuletzt kommt die Band
„Harter Kanten.“, die wie ich finde, ein besonderes Erlebnis mit dem Publikum
hatte.
Die zwei
Gitarristen, Bassist, Schlagzeuger und Sänger sind mit voller Energie und Leidenschaft
dabei. Zudem haben sie, sehr zur Freude der „Gaardener Szene“, immer wieder Zugaben gespielt. Diese versammelt
sich mit Hunden und Alkohol vor dem Sky-Markt, der als Spielort fungiert. Während
des Auftrittes kann man beobachten, wie sie trinken und auch immer wieder
Alkoholisches nachkaufen. Störend ist es, dass einige von ihnen aufstehen und
zu der auftretenden Band gehen, sie ansprechen und ins Mikrofon schreien. Zudem
gibt es Aufschreie, die Hunde sind durch die enorme Lautstärke verstört und es
riecht unangenehm. Als „Harter Kanten“ den letzten Song beendet, frage ich den
Sänger, ob es ihn gestört hatte vor so einem Publikum zu spielen. Er entgegnete
mit einem Grinsen: „Ich habe viel Schlimmeres über Gaarden gehört, es ist doch
ganz cool. Ich denke, das ist nur ein Klischee hier und völlig überzogen.“
Demnach
scheint die Band das ganz gelassen aufgenommen zu haben. Im Gegensatz dazu, war
ich etwas überfordert und bin erstmal wieder zurück zum Platz gegangen. Bald
wird als großes Finale die Ska-Band „Plastic Skanksters“ auf der Bühne am
Vinetaplatz spielen. Es ist mittlerweile gegen sechs Uhr abends und auf der
Bühne wird schon zwischendurch geprobt bzw. die Technik getestet.
Claudia, 32
Jahre alt, gefalle besonders gut die Band „Harter Kanten“ sowie das Miteinander
und die Stimmung auf dem Straßenmusikfestival „InTakt“. Marina, 50+, hebt die
Dekoration hervor und ist extra für das Abschlusskonzert gekommen. So auch Niko,
25 Jahre alt. Zudem finde er den Auftritt der „Beppo Beats“ gut, nur etwas zu
kurz. Alexandra, 34 Jahre alt und direkt am Vinetaplatz wohnhaft, hat die
gesamte Veranstaltung genossen: „sonst teilt man sowas nicht mit den anderen,
es war sehr friedlich, schön und bunt.“ Daneben ist ihr ein Cello spielender
Junge positiv aufgefallen, auch wenn er keinen offiziellen Auftritt bei einem
der Spielorte hatte, sondern wie ein echter Straßenmusiker dazwischen spielte.
Die Mitarbeiter des Organisationsteams waren durchweg zufrieden in ihrem
Resümee. „Es waren engagierte Bands, gut besucht, die Sonne hat uns geküsst.
Ich hatte den Eindruck es wären auch Besucher vom Westufer hergekommen, einfach
ein chilliges Straßenmusikfestival“, fasste Christine zusammen. Das Thema Begegnung
bzw. Austausch durch Musik ist gut aufgenommen worden, dennoch könnte es
zukünftig noch mehr multikulturelle Musik geben.
Als runder Abschluss des Straßenmusikfestivals kommen
die Lokalmatadore in Sachen Ska- die Band „Plastic Skanksters“. Die sieben
Musiker haben eine lebendige, harmonische und sommerliche – fröhliche Show
geliefert. Für einige der Besucher waren sie das absolute Highlight und der Hauptgrund
des Besuchs. Mit viel Bewegung, mitreißenden Texten und schwungvollen Melodien schließen
sie den durch und durch musikalischen Tag ab.
Letztendlich
verlasse ich mit vielen visuellen und akustischen Eindrücken, unterschiedlichsten
Melodien im Kopf und mit der Sonne im Rücken den vielfältigen Stadtteil
Gaarden: Ich muss sagen, es war schön mit dir. Es herrschen viele Vorurteile
und Halbwahrheiten über dich, aber ich finde du bist immer einen Besuch wert. (ff)
.
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