Mit aufgestützten Armen
spielt Björn Högsdal an seinem Handy herum, neben ihm steht ein Glas
Apfelschorle. Als sich die Tür öffnet, hebt er den Kopf. Er lächelt, seine stechend
grün- bläulichen Augen schauen erwartungsvoll. Das schwarze Hemd trägt er
aufgekrempelt, so dass ein sonnenförmiges Tattoo auf seinem linken Unterarm sichtbar
wird. Es ist ein Symbol seiner Lieblingsskating-Firma Mitte der 90er Jahre. Er
überlegt schon eine Weile ein Mikrofon darüber tätowieren zu lassen, da es sein
jetziges Handwerk zeige. Früher hatte er Piercings – an der Nase und unter der
Lippe sieht man noch die verbliebenen Stichkanäle. „Ich hatte nicht mehr das Bedürfnis, das Besondere
durch mein Aussehen hervorzuheben, sondern durch meine Texte.“ Dabei zitiert er
Thomas Mann -„Künstler sind schon Abenteurer im Kopf, da können sie wenigstens
vernünftig aussehen“ -. Darauf folgt eine kurze Pause, er lehnt sich nach
hinten.
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Björn Högsdal in Aktion
© 2004 - 2013 Högsdal & Kruse GbR
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Der Tisch steht
mitten im Exlex, es ist sehr geräuschvoll an diesem Mittwochnachmittag, die
Musik spielt in einer enormen Lautstärke. Er erzählt von seinen ersten
Auftritten im Fernsehen und Rundfunk, schmunzelt über Aufregung und Routine: „Du
kannst mich um vier Uhr morgens wecken und ich moderiere dir sofort einen
Poetry Slam.“ Er redet schnell und bewegt sich viel. Er fährt sich oft durch
sein kurzes Haar, schlägt seine Beine um, zieht sie an, streckt sich wieder, lehnt
sich mal entspannt zurück und dann wieder nach vorne. Außerdem stößt er häufig
gegen den Tisch, die große Tasse Chai und das Apfelschorlenglas drohen überzuschwappen.
Bei bestimmten Aussagen haut er auf den Tisch, als wolle er eben Gesagtes
zusätzlich betonen.
Björn hat sich Gemüseburger
bestellt, von denen er mit Bedacht die Gurkenscheiben puhlt. Dabei isst er
hektisch und schnell. Wenn zwischendurch kurze, aber bewusste Pausen sind, die
ihm Zeit zum Essen geben sollen, hat er doch noch was anzumerken. Er braucht nur
kleine Stimuli, um auch zu Anekdoten weiterzuführen. Seine leichten Falten, um die
Augen und Mundwinkel, kommen kaum mit beim Sprechen, sein eindringlicher Blick
ist weiterhin konzentriert. Als er schließlich von seinen Ritualen vor
Auftritten berichtet, erzählt er grinsend von dem „albernsten Ritual“ - dem
Glücksbringer T-Shirt, das er mal in Österreich gewann und das seinem Träger
anschließend bei weiteren Auftritten treu war.
Bereits zu Beginn
des Interviews sagte Björn, dass man seine Nervosität an der Redegeschwindigkeit
erkennen kann. Tatsächlich ist er während des Gesprächs kaum zu bremsen, die
Worte sprudeln aus ihm raus, er hüpft von einer lustigen Anekdote zur nächsten
und berichtet ausführlich von seinen Auftritten. Auch seine Bewegungen lassen
nicht nach. Er rät auf der Bühne zunächst unsicher und nervös zu wirken, da das
beim Publikum gut ankomme.
Er ist ständig
dabei seine Auftritte zu verbessern. So hat er z.B. vor einem halben Jahr an einer
Sprachtherapie teilgenommen. Selbst in der kreativen Phase der Themenfindung recherchiert
er zuvor in überregionalen Zeitungen. „Ich arbeite gezielt: morgens gehe ich auf
„Spiegel Online“ , um zu wissen was in der Welt los ist, dann gehe ich auf die
„Bild online“, um zu wissen was die Deutschen denken, was in der Welt los ist
und zum Schluss lese ich die „Kieler Nachrichten“, um zu wissen, was die Kieler
denken, was in der Welt los ist.“ Wenn das nicht reicht, klickt er so lange auf
den „zufälliger Artikel“ Button bei „Wikipedia“ bis ihm etwas Interessantes, Skurriles
oder einfach Absurdes ins Auge fällt.
Der Bühnenstil
von Björn ist familiär bedingt. Der Vater hatte in England und Irland studiert
und den schwarzen, britischen Humor nach Deutschland importiert. Deshalb
gefalle ihm Norddeutschland auch so gut, obwohl er beim Bodensee aufgewachsen
ist. Die Norddeutschen hätten einen ähnlichen Humor und sie verstünden auch
provokante Texte. „Ich mag es, wenn ich das Publikum spalten kann, man kann
jeden Text machen, wenn man mit der Reaktion umgehen kann.“
Björns größte
Leidenschaft ist das Schreiben und Auftreten: „wenn ich eine Woche lang nicht
auf der Bühne bin, fehlt mir auch was. Ich hatte viel Glück in den Poetry Slam
gekommen zu sein sowie von Kunst und Kultur leben zu können.“
Björn Högsdal,
geb. 1975 in Köln, studierte in Kiel Literatur-und Medienwissenschaften. 2002
gründete er die Kulturagentur „assemble ART“. Er schreibt kabarettistische
Lyrik und Satire, veranstaltet und organisiert Workshops sowie Poetry Slams im
Raum Schleswig-Holstein und Niedersachsen. (ff)